Maria

Ich habe euch die Tage noch etwas Weihnachtliches versprochen und was würde da besser passen als Maria. Maria, die zur Weihnachtsgeschichte gehört wie keine Andere – aber ehrlich gesagt, habe ich mich mit ihr immer ein bisschen schwer getan.

Vielleicht liegt das an den ganzen Bildern, die sie immer selig lächelnd und ein bisschen abwesend zeigen. Als ob sie still und ergeben all das, was gerade geschieht, über sich geschehen lässt und nur die Hälfte von dem mitbekommt, was um sie herum passiert. Völlig erholt wartet sie ein paar Stunden nach der Geburt auf den Besuch und auf ihrem Arm sitzt ein nackiges Jesusbaby ganz brav ohne zu brüllen oder jemanden anzupinkeln. Auf manchen Bildern (vor allem den Heiligenbildern der Ostkirche) da schwebt sie vom Himmel – wie eine Göttin, die über all den Sorgen und Ängsten und Problemen dieser Welt steht.

Vielleicht tue ich mich mit ihr so schwer, weil ich das Gefühl habe, diese Bilder erzählen davon, wie man als Frau bitteschön zu sein hat. Leise, unauffällig, ergeben, demütig. Die perfekte, aufopfernde, niemals klagende oder schimpfende Mutter.

Aber in Wirklichkeit, da ist sie doch eine von uns. Eine Mama, die schlaflose Nächte und Entwicklungsschübe, zahnende und schreiende Kinder kennt. Die an ihren eigenen Idealen zerbricht. Die ihr Kind anschreit und es mehr liebt als ihr eigenes Leben. Und die manchmal nicht mehr kann. Die Angst haben musste, dass ihr (noch nicht) Mann sie verlassen wird. Dass sie von nun an „diese Frau“ sein würde. Dass sie ohne Geld oder Existenzgrundlage dastehen würde.

Die genau weiß, wie es sich anfühlt, wenn ihr Kind sie ablehnt. Die weiß, wie es ist, wenn andere hinter ihrem Rücken über sie reden (Hallo Mom-Shaming!). Und die am Ende ihr totes Kind in den Armen hält.

Wenn Maria uns heute begegnen würde, dann sähe sie vermutlich nicht so aus wie auf den Heiligenbildern, die in unseren Kirchen hängen. Eher wie die Schwangere im Supermarkt, die sich Dosenravioli aufs Band legt und Zahnpastareste am Pulli kleben hat. Die bei Nieselregen neben uns auf dem Spielplatz sitzt und einfach fünf Minuten ihre Ruhe haben will.

Diese wunderbare, verletzliche, starke Frau!

Die sicherlich völlig überfordert war mit dieser gewaltigen Aufgabe, den Messias großzuziehen. Ich bin schon mit ganz normalen Kindern völlig über meiner Grenze…. Ich frage mich oft, was Gott sich dabei gedacht hat, mir so etwas Wertvolles anzuvertrauen. Sie großzuziehen und zu lieben – so gut ich eben kann und immer in dem Wissen, dass das nicht ausreichen wird. Und wie es Maria wohl gegangen sein muss, den großzuziehen und zu lieben, der die Welt retten wird. 

Und die trotz allem, gesagt hat: „Gott ich bin dabei!“ Nicht: „Ich lass es über mich ergehen.“, sondern: „Ich bin dabei!“ Die nicht wusste, wie das alles funktionieren soll und die sich erstmal für ein paar Wochen verkriechen musste, aber die vertraut hat.

Ja, Maria ist eine von uns. Und sie ist eine Heilige. Denn ich glaube es ist etwas sehr Heiliges, überfordert zu sein, sich zu fürchten und trotzdem zu sagen: „Gott ich bin dabei!“

4 Gedanken zu: Maria

  1. Oh WOW! Danke Anne für diese Worte, die mir heute morgen – müde und überfordert wie ich bin – viel Mut machen. (und die Collage ist toll!!!!!) Liebe Grüße zu dir von einer die auch dabei sein will.

  2. Ja, so fühlt es sich gerade an… Ideale zerbröseln, Überforderung als immerwährender Begleiter und mein trotziges „Trotzdem!“, Gott vor die Füße geworfen. Vielen Dank für Deine Gedanken!!! Sie sind heute wie ein tröstende warme Tasse Tee.
    Grüße von einer sonst stillen und ermutigten Leserin

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