WegGespräche – Gemeinde wie ein Gartenhaus

Vor ein paar Wochen habe ich mein erstes größeres Ikea Möbelstück aufgebaut. Ein schmaler weißer Schreibtisch für unsere Gartenlaube. Daheim lasse ich solche Dinge Daniel machen, weil er es besser und schneller machen kann. Und auch dieses Mal wollte ich die Aufgabe delegieren: „Mach du! Du kannst es besser. Ich nehme die Kinder.“  Aber er wehrt ab und macht mir Mut. Er erinnert mich daran, wie stolz ich sein werde, wenn ich es ganz alleine geschafft habe.

Zwei Stunden später steht er da. Mein Schreibtisch! Obwohl ich die Schubladenscharniere falsch herum eingebaut hatte. Obwohl eine Ecke total verrammt ist, weil ich den Dübel ins falsche Loch geschlagen habe und er wieder rausgehämmert werden musste. Obwohl es viermal so lang gedauert hat, als Daniel gebraucht hätte.

„Leicht verschrammt und voller Stolz selbst geschafft“ ist so viel hübscher als perfekt von anderen montiert! Das liebe ich an unserem Garten: hier traue ich mich Dinge auszuprobieren. Ich bohre mein erstes Loch (in abgestorbene Baumstümpfe als Insektenunterschlupf), montiere Stangen, lerne Schrauben, Sägen und viel mehr. Es ist schief und unperfekt, manches muss ich korrigieren und ich hinterlasse Löcher in den Wänden.

Aber es macht mir Mut. Es gibt so Vieles, was ich kann, obwohl ich das nie gedacht hätte. Und was ich nicht kann, kann ich lernen.

Es macht mich stolz. Ich bin zu so viel mehr fähig, als ich erwartet hätte. Und je mehr ich lerne, desto mehr traue ich mir zu und desto besser werde ich.

Auch meinem Großen geht es so. Unser Garten ist ein Ort, an dem er von seinem Papa lernt. Zu schnitzen oder an der Werkbank zu sägen. Ein Ort, an dem wir ihm helfen, aber nicht jede Macke korrigiert wird und Dinge schräg und unperfekt stehen bleiben dürfen.

„Voller Stolz selbst geschafft“ ist so viel hübscher als perfekt von anderen gemacht!

In manchen Gemeinden taucht gerade ein Wert auf: sein Bestes geben. Und ich feiere diese Entwicklung sehr, weil unser Gott das Beste verdient. Weil ich ihm nicht den Rest geben will, der am Ende noch übrig ist und eigentlich schon auf den Sperrmüll gehört. Es fordert mich heraus. Aber ich habe lange darüber nachdenken müssen, was „das Beste“ ist.

Manchmal ist unser Bestes eben auch der neue vermackte Schreibtisch in der Gartenlaube oder das Holztischchen vom Sperrmüll, das ich leuchtend grün gestrichen habe und über alles liebe. Es ist das extra Loch in der Wand vom fehlgeschlagenen Versuch ein Bücherregal zu montieren. Manchmal ist mein Bestes das, was im ersten Augenblick klein und kümmerlich aussieht, was aber in Gottes Augen ganz besonders wertvoll ist.

Wie werden wir solche Gemeinden? In denen wir ausprobieren und versagen können? In denen wir den Lobpreis nicht denen überlassen, die es besser und schneller können. In denen nicht nur „die Profis“ die Predigten halten. Sondern Gemeinden, in denen wir schräge Nägel reinschlagen, Wände bekleckern und uns ausprobieren dürfen. In denen wir mutig unser Bestes geben, auch wenn es auf den ersten Blick verschrammt und kümmerlich wirkt. Ich hatte das Glück als Teenager in einer Jugendarbeit zu sein, in der wir das durften. Predigen und Hauskreise leiten, Lobpreis gestalten und Events verantwortlich planen. Was für ein Privileg!

Zurück zu unserem Garten. Bei so viel unperfektem Rumgeschraube, bei schrägen Balken und wackeligen Terassensteinen könnte man meinen, er wäre nicht sonderlich hübsch. Aber wenn ich durch unsere Gartenanlage laufe, dann finde ich, dass es der schönste Garten von allen ist. Weil er bunt und unperfekt und so lebendig ist. Weil er vor Kreativität sprüht. Ich finde ihn wunderschön, auch wenn es perfektere und gepflegtere Gärten neben uns gibt, mit Hochbeeten, Hollywoodschaukeln und BBQ Outdoor Küchen.

Vielleicht liegt das daran, dass ich seine Geschichte kenne. Dass ich ihn liebevoll anschaue und weiß: Das ist meiner! Hier hab ich mitgearbeitet und es hat mich jede Menge Schweiß und Arbeit gekostet.

Und mit unserer Gemeinde ist es ganz ähnlich. Wenn ich durch die Gottesdienstwelt laufe – online und offline – dann sehe ich viele „bessere“ Gemeinden. Ausgefeiltere Predigten, größere Lobpreisteams, mehr Reichweite, bessere Konzepte. Und ich sehe unsere Gemeinde. Ein bisschen bunt und schief. Und wenn ich dran vorbeilauf, dann schau ich sie voller Liebe und auch ein bisschen Stolz an und kann sagen: das ist die Allerschönste von allen!

Vielleicht, weil ich Jesus hier mein Bestes schenken darf: den Mut aufzubringen, mitzumachen. Auch wenn es am Ende ein bisschen schief wird und andere es vielleicht schneller und besser könnten.

Und ich bin überzeugt, dass er es anschaut und voller Liebe sagt: das ist das Allerschönste, was du mir geben konntest!

Ein Gedanke zu: WegGespräche – Gemeinde wie ein Gartenhaus

  1. Liebe Anne! Dein Text berührt mich sehr! Ja, unser Bestes ist manchmal verschrammt und verbogen und ein bisschen sehr eigenwillig…aber genau richtig so. Und wie komisch, dass ich das kopfnickend lesen kann, und dann oft bei mir denke: Es musste doch noch besser sein. Anstatt es mal gut sein zu lassen, so wie es ist. Ohne den Vergleich mit den „Nachbargärten.“ Und: Ich finde meine Gemeinde auch die allerschönste von allen! Wir haben so tolle Menschen bei uns 🙂 Schick Dir liebste Grüße und SUPER Leistung – das mit dem Schreibtisch!!! (ich hab eine etwas eigenwillige Kommode selbst aufgebaut, komischerweise waren einige Schrauben übrig…)

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