Ich glaube wie durch einen Spiegel.
Nicht die Spiegel, die wir heute kennen. Sauber, geputzt, bis ins Detail gestochen scharf. Eher wie der Badspiegel nach einer heißen Dusche. Beschlagen und verschwommen, sodass nur Umrisse erkennbar sind und man eher erahnt, statt klar zu sehen.
Es gibt so Vieles, das meinen Blick trübt. So Vieles, das meine Art zu glauben und Gott zu erkennen verzerrt.
Meine Kultur.
Meine Biografie.
Meine Sprache
Mein Erleben.
Meine Persönlichkeit.
Meine Wertvorstellungen.
Mein Geschlecht.
Meine Glaubensprägung.
Mein Umfeld.
Meine Lebenssituation.
….
Wie soll ich beten: „Unser tägliches Brot gib uns heute“, wenn mein Kühlschrank zum Brechen voll ist?
Wie das Gebet einer Hanna verstehen, die um ein Kind fleht, wo ich zwei tolle Jungs habe?
Wie soll ich mit den Unterdrückten nach Gerechtigkeit schreien, wenn die einzige Ungerechtigkeit, die ich je erfahren habe, eine gering schlechtere Note im Deutschaufsatz und ein ungerechter Vermieter war?
Wie oft habe ich Aussagen falsch verstanden, weil ich den kulturellen Kontext einer Bibelstelle nicht kannte, Worte aus dem Zusammenhang gerissen habe oder einen poetischen Text gelesen habe, als wäre er eine Anweisung? Wie oft ist mein Glaube mit der Realität kollidiert? Wo ich an einen Gott glaube, der heilt, versorgt und befreit, aber es in dem Moment nicht tut. Wie oft blenden und verzerren mich meine Nebelschleier.
Ich will ja glauben. Ich will glauben, dass Gott versorgt, dass er heilt und dass er einen Plan hat. Aber was, wenn ich mich irre? Wenn ich etwas falsch verstanden habe, weil der Spiegel beschlagen war.
Vielleicht ist das ja auch glauben: das Vorantasten im Nebelschleier.
Und das Vertrauen, dass da eine Hand ist, die mich nicht loslässt. Eine Hand, die Dinge wieder gerade rückt, wenn ich daneben lag.
Und vielleicht – nein ganz sicher! – reicht dieser kleine nebelgraue Glaube aus.
Bis zu dem Tag, an dem alle Schleier sich auflösen und alle Fragen, Zweifel und Unsicherheiten ein Ende finden. Dann, wenn wir so erkennen, wie wir erkannt sind. Durch und durch, bis ins tiefste Innere geliebt.