Seit ein paar Monaten bete ich einen Psalm. Genau genommen bete ich nur den ersten Vers davon, denn weiter bin ich noch nicht gekommen.
Der Herr ist mein Hirte mir wird nichts mangeln.
Als wir in einer Predigt den Impuls bekommen hatten Psalm 23 die nächsten Wochen zu meditieren hatte ich nicht damit gerechnet, dass mir das so schwer fallen würde.
Der Herr ist mein Hirte mir wird nichts mangeln.
Schon in dem Moment, als ich ansetzte das zu beten, fängt es in mir an zu schreien:
„Mir wird es nichts mangeln? Gott mir mangelt es an so Vielem! Gerade jetzt Gott!
Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal einen Gottesdienst besucht und ihn von Anfang bis Ende mitbekommen habe oder ein Gespräch zu Ende geredet habe ohne einem Kind hinterherzurennen und die Hälfte zu verpassen. Vor Jahren? Ich habe keinen Job, unsere Wohnung ist viel zu klein, wann hatte ich da letzte mal Zeit für mich? Meine Freundinnen habe ich seit Wochen nicht gesehen, ständig ist jemand krank und ich kann mich nichtmehr auf Dinge vorfreuen, weil ich eh damit rechne, dass nichts daraus wird!“ Noch während ich so bete, will ein Teil in mir alle das klein reden und wegrationalisieren, denn andere haben wirkliche Probleme…Doch davon verschwinden solche Gedanken auch nicht. Das was ich gerade fühle ist Mangel und Wut . Und das darf sein. Auch beim Beten, nein gerade da! Denn wohin sollte ich sonst damit.
Also bleibe ich bei dem ersten Satz hängen, aber kann es auch nicht lassen ihn wieder und immer wieder zu beten. Weil zwischen der Wut eine leise vertrauensvolle Stimme flüstert es zu versuchen.
Ich glaube, wir stehen immer wieder vor solchen kleinen Kreuzungen. Auf der einen Seite Gott und sein Wort, dem ich so gerne vertrauen und glauben möchte, auf der anderen Seite die Realität. Weder das einen noch das andere kann ich ausblenden und doch passen sie oft nicht zusammen. Also bete ich in meinem Mangel: Der Herr ist mein Hirte mir wird nichts mangeln. Und mitten in meinem wütenden Gebet vertraue ich, dass es einen dritten Weg gibt- wie auch immer der aussieht.
Monate später. Ich liege in einem Krankenhausbett und sehe das Feuerwerk vom Zimmer aus. Eigentlich wollten wir zu Freunden fahren. Nach anstrengenden Wochen mit viel Arbeit zusammen sein, feiern, gut essen und bis in die Nacht hineinreden und spielen. Stattdessen bin ich jetzt hier. Eine vertraute Stimme in mir will schon ansetzten. „Warum Gott? Gönnst du mir nach so viel Arbeit nicht mal einen Tag? Ich dachte du meinst es gut mit mir. “ Die Stimme des Mangels meldet ist. Ich höre sie, aber die letzten Monate sie ist leiser geworden. Da greift mein Sohn meine Hand, grüne Funken explodieren vor dem Fenster und in dem Moment gibt es keinen Ort wo ich lieber wäre. Ich darf hier liegen, mit meinem Kind. Wir haben einen Haufen Menschen die für und mit uns beten, es erreichen mich immer wieder Nachrichten und Nachfragen und eine Geschenketasche von Oma und Opa. Ich schaue meine Lieblingsserie, wir essen Muffins und Pfannkuchen. Jetzt gerade in diesem Moment fehlt es mir an nichts. Nicht alles ist gut und bei weitem nicht perfekt. Aber in mir ist etwas gut. Denn in meinem Mangel erlebe ich Güte und, dass es mir an nichts fehlt (obwohl es mir an so vielem fehlt). Auch wenn ich selbst nicht sagen kann wie es möglich ist beides gleichzeitig zu erleben erfahre ich das die nächsten Tage immer wieder. Mangel und Versorgung. Beides zur selben Zeit. Und seitdem bete ich weiter:
Der Herr ist mein Hirte. Selbst in meinem Mangel, fehlt es mir an nichts.
Vielen Dank für deine ehrlichen Worte! Wie vielen wirst du damit aus der Seele sprechen und Mut machen!
Das wäre schön! Vielen Dank dir!
Liebe Anne,
Danke für diesen Text, dieses Gebet werde ich jetzt auch öfter beten, ich glaube das waren die Worte die mir gefehlt haben. Denn genau das möchte ich auch gerade lernen, zu vertrauen, dass Gott mich versorgt, auch wenn so vieles zu kurz kommt. Ich glaub darin liegt eine große Freiheit und ein großes Geheimnis, es komplett in seine Hände zu legen, dass wir keinen Mangel haben.
Ja oder? So einfach und gleichzeitig so schwer. Aber ich glaube, wenn wir das lernen werden wir ganz glückliche und reiche Menschen. Und das habe ich gerade vor Augen wenn ich mich manchmal durch Situationen durchkämpfen muss. Weil ich eine sehr dankbare Oma werden will, die sich an Kleinigkeiten freuen kann.