Ein eigenes Zimmer

Virginia Woolf sagt, eine Frau braucht ein eigenes Zimmer um wirklich gute Literatur erschaffen zu können.  Ich habe nicht mal einen eigenen Schreibtisch. Meiner ist dem Homeoffice von meinem Mann zum Opfer gefallen und jetzt schreibe ich wahlweise am Esstisch, auf dem Sofa oder leihe mir den Schreibtisch von meinem Sohn.

Zugegeben auch mit einem eigenen Zimmer würde ich wahrscheinlich keine Weltliteratur erschaffen. Nichtsdestotrotz fühlt sich mein Leben manchmal an wie mein nicht vorhandener Schreibtisch. Irgendwie reingequetscht. In all die Lücken die zwischen drei Kindern und den damit verbundenen Verpflichtungen bleiben. Mich plag das schlechte Gewissen, wenn ich mir kleine Freiräume suche und ein bisschen nachquetschen muss, damit ich Platz darin finde. Vielleicht ist das Leben als Familie so. Eng, gequetscht und manchmal garnicht so leicht für Menschen die nicht so gerne kuscheln.

Auch wenn ich mein Leben an den meisten Tagen fast so sehr liebe wie meine kleine Familie, so gibt es auch Tage da träume ich von meinem eigenen Zimmer. Mit Schlüssel zum Abschließen. Ein bisschen Platz, nur für mich. (Und eins für meinen Mann, dem es genauso geht).

Einem Vormittag ungestört arbeiten zu können. Ein Wochenende durchschlafen (oder eine Nacht). Zu zweit essen gehen ohne aufs Handy oder die Uhr schauen zu müssen. Ins Kino gehen. Zwei Tage (ohne schlechtes Gewissen) alleine sein. Nicht dauernd abzuwägen wie man seine kinderfreien Stunden am effektivsten nutzt.

Und an manchen Tagen ist es eben auch frustig. Alles zu verschieben, weil die Kinder krank sind. Schon wieder. Seit November. Mit Abgabefristen im Nacken und der Angst nicht fertig zu werden. Auf dem Boden zu sitzen und Duplo zu spielen, ohne wirklich da sein zu können, weil man all die Dinge denkt, die seit Tagen auf dem Schreibtisch liegen und auf morgen warten. Ideen und Träume abzuwägen und ihre Kosten zu berechnen bevor man absagt. Ein „Nein!“ zu Dingen, die man so gerne gemacht hätte oder ein „Ja!“ das oft von schlechtem Gewissen begleitet ist.

Ich finde wir sollten öfter darüber reden, dass das schwer ist. Und nervt. Und frustriert.

Und gerade will ich dazu ansetzten einen frustrierten schimpfenden Höhepunkt zu formulieren, darüber, dass ich mich in all dem Mama sein verliere und garkein Platz mehr für mich habe, da merke ich, dass das so garnicht stimmt.

Denn wenn ich genau darüber nachdenke, habe ich in all den reingequetschten Mama-Jahren auch ziemlich viel von mir gefunden. Von dem was ich liebe und dem was ich bin. Von dem wer ich sein will und was mich nervt.

Ich habe kein eigenes Zimmer, nicht mal einen Schreibtisch. Aber seitdem ich Mama bin schreibe ich. Ich quetsche mich in Lücken, die am Ende übrigbleiben. Und vielleicht ist genau das wichtig. Nicht frustriert aufzugeben, sondern die Lücken zu füllen. Sich Schreibtische zu leihen und ein paar Stunden Zeit (und frustriert sein zu dürfen, wenn es nicht so klappt wie man will!).

Bilder zu malen und Texte zu schreiben und Träume zu träumen- in den zehn Minuten die zwischendurch übrigbleiben. Und zu merken, dass die Minuten mit der Zeit ein kleines bisschen länger werden. Und vielleicht schreiben wir dann keine große Weltliteratur, aber dafür kleine Alltagsgeschichten.

4 Gedanken zu: Ein eigenes Zimmer

  1. Ach so ein eigenes Zimmer würde mir auch gut gefallen! Interessant ist aber, dass viele die ich kenne mit dem Schreiben in einer Phase des Lebens angefangen haben in denen man sich jede Minute freischaufeln musste, um dann für eine kurze Zeit glücklich mitten im Chaos zu sitzen und zu schreiben. Neulich habe von einem Autor gelesen der endlich mal ganz alleine und völlig entspannt in ein Haus am Meer schreiben durfte (Traum!). Als er seinen Text dann eingereicht hat meinte seine Agentin: „Es ist irgendwie nicht so gut wie sonst. Nicht so drängend und lebendig. Ich glaube du solltest besser wieder in deinem alltäglichen Chaos schreiben.“Liz Glbert sagt darüber: Alle, die nicht gerade vom Landadel abstammmen machen es so. ;-).
    Ich schick Dir Grüße und freu mich,dass du schreibst und damit Lücken füllst.

  2. Liebe Anne,
    Ich finde mich so wieder in deinem Text. Und manchmal, wenn ich diese Phase schwer finde, stelle ich mir vor wie es sein wird, wenn ich auf diese Phase zurück schaue und was ich alles vermissen werde. Und dann fällt es mir leichter diese intensive, chaotische Lebensphase zu genießen und mir meine Lücken zu suchen.

    1. Ja das stimmt. Kann ich mir im Moment noch garnicht vorstellen aber es wird auch wieder anders. Ich hatte ja ein paar Monate lang den den Vorgeschmack auf „alle Kinder vormittags versorgt“ vielleicht fällt es mir deshalb gerade so schwer.

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