Ich bin müde. Abends um halb sechs fühle ich mich, als hätte mich ein Lastwagen überrollt und ich frage mich, wie ich die zwei Stunden, bis die Jungs im Bett sind, überstehen soll. Meistens klappt es dann doch irgendwie ganz gut, aber spätestens um neun Uhr schlafe ich völlig fertig auf dem Sofa ein. Ich muss mich nur ein bisschen mehr zusammenreißen, denke ich. Ein bisschen disziplinierter sein. Aufgaben, Ideen und Projekte warten. So viele „eigentlich sollte ich ja…“ und „ich könnte ja…“. Wenn ich dann ein paar freie Minuten habe, sitze ich in meinem Sessel und starre vor mich hin. Sogar für die vielen schönen Dinge, die auf mich warten fehlt mir der Antrieb. Ich bin müde.
Im Internet stoße ich auf die Aktion #bewusstnovembern. Und auf einmal merke ich: ich bin nicht allein. Es gibt so viele, denen es ähnlich geht. Die der November mit seinen dunklen, nasstrüben Tagen fest im Griff hat. Was sich für mich so schwer anfühlt, als ob irgendwas nicht stimmt, ist eigentlich ganz normal. Es ist der Rhythmus, den uns die Schöpfung vorlebt.
Die Zeit für Vorbereitungen und um Nüsse zu sammeln, für das Höhlenbauen und Projektestarten ist vorbei. Der goldene Herbst mit all seinen bunten Farben und Früchten weicht den grauen Nebeltagen und dem ersten Frost auf den Dächern. Es sind die Tage in denen alles langsamer wird. Es ist die Zeit des Winterschlafs. Alle Aktivitäten werden heruntergefahren. Temperatur, Atmung, Herzschlaf. Man lebt von den Reserven der vergangen Monaten. Das einzige Ziel ist, zu überleben.
Während mir diese Gedanken kommen, sitze ich lächelnd in meinem Lieblingssessel. Wie schön das wäre. Einfach nur der Alltag mit seinen Alltagsaufgaben. Alle Projekte und Gedanken und Anforderungen herunterfahren. Wie sich das wohl anfühlt. Ob ich das noch kann.
Und da fällt der Entschluss. Bis Ende November halte ich Winterschlaf.