„Mama, wo kommt das Böse her?“ Mit dumpfem Kopf, in dem noch die Erkältung der letzten Woche nachdröhnt, sitze ich morgens um halb sieben im Kinderzimmer und halte mich müde an meinem Kaffee fest. Zwischen Legosteinen und Tierfiguren stammle ich etwas vom Sündenfall vor mich her, während mein Fünfjähriger immer wieder hartnäckig nachhakt. Hinterher bin ich erstaunt, dass ich tatsächlich fast neun Jahre studieren musste, um in diesen paar Minuten so kläglich zu versagen.
Theologie findet nicht im luftleeren Raum statt. Auch nicht nur in Gottesdiensten oder Lehrsälen, in die wir sie manchmal verbannen. Sie trifft einen, wenn man es gerade nicht erwartet. In duplosteingefüllten Kinderzimmern, beim Buddeln im Garten oder in der vollen Straßenbahn. Unvorhergesehen und ohne Vorwarnung.
Ach, ihr lieben Mamas und Papas, ich finde, ihr seid die bewundernswertesten Theologen von allen! Fragen, die Philosophen und Theologen sich seit Jahrtausenden stellen, treffen euch ganz unvorbereitet. Und ihr stammelt und formuliert so unbeholfen, wie man eben antwortet, wenn man den ganz Kleinen die ganz großen Fragen zu beantworten versucht.
Warum gibt es das Böse auf der Welt? Und warum trinken Mücken Blut? Wie sieht der Himmel aus? Und warum sieht man ihn vom Flugzeug aus nicht? Wie kann Jesus überall sein? Und muss er auch mal aufs Klo? Kommt mein Hase in den Himmel, wenn er stirbt?
Und wenn es euch ein bisschen so geht wie mir, dann stolpert ihr mehr recht als schlecht von einem Erklärungsversuch in den nächsten und eure Belege sind keine wissenschaftlichen Studien sondern Texte aus Kinderliedern. Und manchmal vergesse ich, dass Jesus uns theologischen Beistand versprochen hat (Joh 14,26). Und dass unsere Kinder in seinen Augen doch auch schon ganz großartige Theologen sind (Mt 18,3).
Ein paar Tage später purzelt mir die Frage nach dem Bösen wieder abends beim Einschlafen aus dem oberen Stockbett entgegen. Dieses Mal finde ich Worte, die der Lebenswelt meines Sohnes entsprechen.
„Weil die Menschen Streit mit Gott haben.“ Während mir, ohne nachzudenken, die Antwort aus meinem Mund rutscht, muss ich hinterher noch lange darüber nachdenken, was das eigentlich bedeutet. Wie das wohl so ist, wenn man sich mit Gott streitet. Wer angefangen hat. Und worüber ich so oft mit streite und wie man sich wieder vertragen kann.
In diesem Augenblick merke ich, was für ein Glück es ist, dass ich zwei kleine Theologen daheim habe. Zwischen Kuscheltieren und Gutenachtliedern machen sie meinen Glauben reicher und helfen mir, die ganz großen Fragen zu stellen.