In unserer kleinen Krippe kommt es jedes Jahr zu Verwirrungen. Dann nämlich, wenn wir Josef suchen. Bei den einzelnen Figuren weiß nämlich niemand so recht, wer der Hirte, der König und wer Josef sein soll. Ist auch nicht so wichtig, denke ich, und stelle irgendeine der Figuren (wahrscheinlich jedes Jahr eine andere) an die Seite von Maria und dem Jesus-Baby. Und über diesen „ach, nicht so wichtigen“ Josef bin ich dieses Jahr ins Nachdenken gekommen. Josef, der nur so nett an der Seite steht. Der so oft übersehen wird. Der von dem wir gar nicht so viel wissen und von dem kein einziges Wort dokumentiert ist. Dabei lohnt sich ein genauer Blick auf diesen besonderen Mann.
Wahrscheinlich hatte Josef auch ganz andere Vorstellungen von seinem Leben. Verlobt mit Maria, einen guten Beruf (als „tekton“, was wir oft mit Zimmermann übersetzen, was aber Handwerker oder Bauarbeiter bedeuten kann). Einer, von dem es heißt, dass er fromm und gerecht war, der wahrscheinlich einen guten Ruf besaß und der bestimmt von einigen Menschen bewundert wurde. Josef, der ein ziemlich gutes Leben vor sich hatte. Bis zu der Nachricht, die alles veränderte. Seine Verlobte Maria ist schwanger. Jedoch nicht von ihm. Die Verlobung damals war „der erste Teil der Ehe“ und rechtlich bindend. Eine Schwangerschaft vor der Hochzeit galt als Verstoß gegen das Gesetz und wurde als schwere Sünde angesehen. Josefs Entscheidung, Maria heimlich zu entlassen (Mt 1,19), ist kein feiges Wegschleichen, sondern ein Akt des Mitgefühls. Doch noch während er darüber nachdenkt, wie er das machen will, erscheint ihm ein Engel im Traum, der ihm erzählt, dass das Kind, das Maria erwartet, der Sohn Gottes ist.
Und dann heißt es (was ich unglaublich bewundernswert finde!), dass Josef, in dem Moment, als er aufwacht, tut, was der Engel ihm aufgetragen hat. Ohne zu zögern heiratet er Maria, nimmt sie zu sich und steht ab diesem Moment an ihrer Seite. Er reist mit ihr nach Bethlehem, flieht nach Ägypten, um dem Anschlag Herodes zu entkommen, und versteckt sich einige Jahre mit ihr und dem Kind (Mt 2,13). Als er zurückkehrt, zieht er in seine alte Heimatstadt, nach Nazareth, weil er sich in Bethlehem nicht mehr sicher fühlte.
Ich glaube, Josef ist einer der Menschen, bei denen man ein bisschen genauer hinschauen muss, um zu sehen, was für einen unglaublichen Glauben er hatte. Weil sein Glaube nicht laut oder spektakulär war. Bis heute reden wir wenig über Josef. Er, der keinen Moment zögert, Gott zu vertrauen und einfach zu tun, was der Engel ihn bittet zu tun, auch wenn es ihn viel kostet. Da ist kein Zweifeln, kein Fragen, kein Verhandeln. Was für ein Vertrauen muss er gehabt haben, um das einfach so tun zu können. Und wie viele kleine, leise Entscheidungen dem wohl vorausgegangen sind, die im Alltag sein Vertrauen in Gott gestärkt haben.
Josef, ein Mann, der seine Heimat verlässt, auf der Flucht ist mit einem Kind, das nicht seins ist. Und doch zieht er Jesus so auf, als wäre es sein eigener Sohn (Matthäus 13,55).
Ich glaube, Josef war ein sehr treuer Mann. Ein Wert, der oft viel zu gering geschätzt wird, weil er so wenig eindrucksvoll scheint. Wir feiern oft die Lauten und Mächtigen, die Großen, die Kühnen, die Aufbrecher.
Doch von Josef lerne ich: Treue ist, wenn jemand an deiner Seite bleibt, wenn es hart auf hart kommt und wenn alle anderen gehen. Treue kann Heimat schenken und Sicherheit. Treue beschützt und steht an deiner Seite. Treue ist der Glaube, der sich im unspektakulären Alltag zeigt. Treue wächst in den vielen kleinen Entscheidungen, die keiner sieht. Josef, einer, der keine großen Worte findet, aber dessen Taten für seinen großen Glauben sprechen. Der mitgeht und mitträgt. Der versorgt und beschützt. Und der Gott selbst auf dieser Erde ein Zuhause geschenkt hat.
Während ich in unserer Krippenkiste wühle, fällt mir eine kleine, unscheinbare Figur in die Hand. Eine, die nicht besonders auffällt. Ein bisschen ramponiert von den vergangenen Jahren. Ich hebe sie hoch und schiebe sie in unser Bücherregal, wo die Krippe steht. Direkt neben Maria. Und da steht er: Josef. Der mir so viel von der väterlichen Treue Gottes erzählt. Für dieses Jahr wünsche ich mir, ein wenig mehr wie er zu werden.