Zu aller erst: Ich bin sehr verwöhnt. Die letzten Jahre habe ich unzählige freundliche und ermutigende Rückmeldungen bekomme. Nachrichten, Gespräche, Briefe. Ich danke euch von Herzen!! Worte, die mir den Mut gegeben haben zu schreiben, Dinge zu machen, die mir eigentlich zu groß waren. Trotz meines eigenen inneren Kritikers, der sehr laut und unerbittlich wütet. Und all die, denen meine Texte und Predigten nicht gefallen haben, haben sich zurückgehalten. Bis jetzt. Die letzte Woche war ich dann gleich mehrmals mit Menschen konfrontierte, denen das, was ich mache, nicht besonders gefallen hat. Hier ein paar Gedanken dazu, die ich gesammelt habe.
Mir hat keiner beigebracht, wie man gut mit Kritik umgeht.
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mir hat nie jemand beigebracht, wie man zwischen guter und schlechter Kritik und der Kritik, die eigentlich gar keine ist, unterschiedet. Oder ob und wie man sich Kritik zu Herzen nehmen sollte. Auch später während meinem Studium war das mehr eine Randbemerkung – was ich deshalb auch etwas tragisch finde, weil wir in der Gemeindearbeit ziemlich oft mit Kritik konfrontiert sind. Ich finde, es wäre sehr wichtig gewesen, das zu lernen. Wie man gut und konstruktiv kritisiert, aber auch, wie man gut mit Kritik umgeht.
Was genau wird kritisiert?
Wir bekommen manchmal sehr unterschiedliche Kritiken. Manchmal werfen uns Menschen ein „das fand ich schrecklich“ an den Kopf. Meistens ist das nicht besonders hilfreich und im eigentlichen Sinne auch keine Kritik, sondern nur ein Auskotzen. Wenn man will, kann man nachfragen, was genau nicht gefallen hat. Aber oft möchte der Betroffene nicht helfen, sondern einfach seine schlechte Meinung über einem ausschütten. Solche Reaktionen sind oft wenig konstruktiv und sagen oft mehr über das Befinden, die Triggerpunkte und die Geschichte dieser Personen aus, als über das, was Kritisiert wird.
Dann gibt es auch Kritik, die konkret ist. Manchmal sachlich und freundlich vorgetragen, manchmal weniger. Allerdings hat man hier die Chance zu prüfen, ob der Kritiker recht hatte. „Dein Buch ist scheiße“-, kann ich leider nicht nachprüfen. Wenn jemand Bilder oder konkrete Inhalte die Verwendung von zu wenig (oder zu vielen) Bibelstellen kritisiert oder ihm meine Einstellung zu bestimmten Themen nicht gefällt, habe ich die Chance, das Angesprochene zu prüfen.
Ich kann schauen, ob diese Person wirklich recht hatte. Bei manchen Kritiken werde ich zu einem „Ja“ kommen. Vielleicht darf ich an meiner Rhetorik arbeiten, vielleicht verzettele ich mich zu viel, klebe zu sehr an dem Skript. Ein bisschen schwieriger ist es bei unkonkreten Gefühlen. Z. B. wenn mir jemand zurückmeldet, dass er nach meinen Predigten langweilig sind. Doch wird das wohlwollend gespiegelt, kann man dem nachgehen und die Ursache dafür finden.
Bei manchen Kritikpunkten werde ich eine andere Meinung haben. Ich brauche nicht noch mehr Bibelstellen. Ich will weiterhin persönliche Geschichten teilen. Das ist Teil meiner Art zu schreiben. Aber letztendlich hat sich die Kritik als hilfreich erwiesen, weil ich entweder etwas finde, in dem ich besser werden möchte oder ich meinen Werten und meinen Stil immer mehr finde. Ich mache mir auch bewusst, welchen Erwartungen ich nicht entsprechen möchte.
Meine Stimme finden
Vor ein paar Jahren hatte ich eine ziemliche Predigtkriese. Das lag vor allem daran, dass ich gemerkt habe, dass ziemlich gut darin bin, eine solide 3 Punkte Predigt zu schreiben, die alle ganz nett finden, aber die niemand so wirklich berührt. Und ich vor dem Scheidepunkt stand, ob ich diesen sicheren Weg gehen wollte (vor allem aus Angst vor der Kritik anderer) oder ob ich mich auf den Weg mache, meine eigene Stimme zu finden, zu experimentieren und auch Persönliches zu teilen.
Und ich glaube, dass es mehr wir unsere Stimme finden, desto mehr Menschen werden uns kritisieren. Aber ich glaube, das ist auch der einzige Weg, dass Menschen wirklich berührt werden- wenn wir bereit sind, uns verletzlich zu machen.
Kritik ernst nehmen
Manchmal wäre ich gerne einer der Menschen, die jede Kritik an sich abprallen lassen. Bei denen alle Anfragen ein „Anfechtung““ sind. Jemand, der sich ein dickes Fell zulegt und dem niemand etwas kann. Das ist sehr praktisch, weil man nicht mehr verletzt werden kann und sich dann mit eigenen Fehlern nicht auseinandersetzten muss. Aber ganz ehrlich. Ich finde das nicht nur bedenklich, sondern auch ziemlich gefährlich.
Nicht jeder hat sich das Recht verdient mich zu kritisieren
Und obwohl ich offen für Kritik sein will, hat sich nicht jeder das Recht verdient, mich zu kritisieren. Ich glaube, wir leben in einer Gesellschaft, die ziemlich gut im Bewerten und ziemlich schlecht im selber machen, ist. Wenn wir heute etwas kritisieren, dann sitzen wir dabei ziemlich oft gemütlich auf unserer Couch und müssen uns dabei meistens nicht einmal bemühen, eigene Worte zu finden. Das Klicken auf ein paar Sterne reicht.
Brene Brown hat dazu einen sehr wertvollen Gedanken geteilt (eine zeitlang habe ich alles von ihr verschlungen): Sie benutzt dazu das Bild einer Arena. Kritisieren darf, wer selbst in der Areana steht. Wer bereit ist selbst zu schaffen, vorne zu stehen sein Herz zu teilen. Menschen die wissen was es kostet sich vorzubereiten, wie viel Mühe dahinter steckt, wie man sich verletzlich macht und die selber bereit sind Schläge einzustecken. Wer bequem auf den Zuschauerplätzen sitzt und dazu nicht bereit ist, hat kein Recht mich zu kritisieren.
Die Angst davor kritisiert zu werden, ist schlimmer, als es tatsächlich zu werden
Wie viele schlaflose Nächte hatte ich, weil ich Angst hatte, jemand könnte etwas Schlechtes über mein Buch schreiben oder sagen. Wie viele Stunden lag ich deswegen wach. Und am Ende war es nicht besonders schön, aber nichts im Vergleich zu dem, was ich mir ausgemalt hatte.
Urteilt nicht, damit ihr nicht verurteilt werden (Matthäus 7,1-5)
Dieser Punkt ist nicht ganz so leicht zu schreiben. Ich bin gut im Kritisieren und auch schnell. Meine Unfähigkeit an Konfrontation (und meine gute Erziehung) schützt mich meistens davor, das laut auszusprechen oder jemanden an den Kopf zu werfen. Aber ich sehe ziemlich schnell, was nicht gut ist und man verbessern kann, bin schnell am Bewerten. Und ich merke immer mehr, wie viel Schaden ich damit anrichte. Hier bete ich, dass Jesus mir hilft, das zu ändern. Ich möchte gut werden im kritisieren. Wertschätzend, konkret, begleitend und so lange meinen Mund halten bis ich gefragt werde, oder es im zwei Augengespräch teilen kann.
Ich brauche einen Safe Space
Je mehr und öffentlicher ich schreibe und rede, desto mehr (potenzieller) Kritik bin ich ausgesetzt. Menschen, die mich nicht kennen, werden sich eine Meinung über mich bilden. Und ja, das stresst mich sehr. Und wie sehr brauche ich da meine Orte, an denen ich nur ich bin. Wo ich geliebt werde, so wie ich bin, völlig unabhängig von dem, was ich leiste. Meine Familie und Freundinnen, meine Gemeinde. Wie unbeschreiblich wertvoll sind solche Orte. Und wie sehr habe ich es letzte Woche genossen zu merken, dass die Menschen, die mich am meisten kennen, meine Fehler, Ecken und Kanten, die haben mich trotz allem ziemlich gern.
Kritisiert werden- das war diese Woche mein Thema. Und ich habe vor allem gelernt, wie viel ich hier noch zu lernen habe. Aber auch, dass ich dazulernen möchte und dass man das auch kann! Wie passend ist da die Jahreslosung (Mitte Sommer fand ich sie noch irgendwie blöd und habe mich gefragt, was ich damit anfangen soll …).
Prüft alles- behaltet das Gute. (1. Thessalonicher 5,21)
Das möchte ich mitnehmen, wenn ich lerne, mit Kritik umzugehen. Jemand sein, der prüft und dann das Gute behält.
Mein kleiner Fahrplan als Erinnerung an mich selbst.
- Wie wurde die Kritik vermittelt-, sachlich und wertschätzend oder missbraucht die Person mich um ihre schlechte Laune loszuwerden.
- Hat die Person das Recht, mich zu kritisieren?
- Was genau ist der Kritikpunkt? Gute Kritik ist konkret.
- Ich prüfe die Kritik und behalte das Gute.
Und mittendrin, da merke ich, dass der Zeitpunkt für die Kritiken wohl auch nicht zufällig war. Ich durfte die letzten Wochen viel lernen und vielleicht hat Jesus sich gedacht, dass er mir das jetzt endlich mal zutrauen kann. Wurde ja auch Zeit 😉.
Vielleicht helfen dir auch diese Gedanken:
Wir danken Gott für alle nichterfüllten Wünsche, denn daraus lernen wir, dass der Glaube jeden Tag aufs Neue auf dem Prüfstand steht. Wir danken Gott für alle erfüllten Wünsche, denn darin erkennen wir, dass jeder Tag ein Geschenk ist, zu dem unser Gebet der Schlüssel ist. Wir danken Gott für unsere Gegner, denn sie lehren uns, dass die Liebe kein Spaziergang, sondern ein steiler und beschwerlicher Pfad ist. Wir danken Gott für unsere Freunde, denn sie lassen uns die Sonne auch am bewölkten Himmel sehen. Wir danken Gott für alle unsere Kritiker, denn sie lassen uns nicht in trügerische Passivität verfallen. Und wir danken allen Menschen, die ein gutes Wort an uns richten, denn sie erinnern uns, dass der Mensch nicht von Brot alleine lebt, sondern von jedem Wort, das der Liebe Gottes entspringt.
Von Seiten derer mit einem guten Wort möchte auch ich mich melden: Du machst mit deinen aufbauenden Gedanken und schönen Worten anderen Menschen so viel Freude. Es träfe nicht nur die Jahreslosung, sondern auch die aktuelle Monatslosung auf dich zu: „Mache dich auf … und die Herrlichkeit Gottes geht auf über dir“ (Jes. 60,1).
Vielen Dank für diesen schönen Gedanken.
Du sprichst mir so aus dem Herzen und in meine Situation hinein! Danke!
Das freut mich!