Auf meiner 25-in-25-Liste stand, dass ich dieses Jahr weniger lesen möchte. Nur ein (Sach)buch im Monat. Vielleicht bin ich damit eine der wenigen Menschen, die sich vorgenommen haben, weniger zu lesen, aber das hat einen guten Grund. Ich möchte langsamer und tiefer lesen. Nicht über die Seiten huschen, sondern Zeit haben, das Gelesene auch zu durchdenken und nachwirken zu lassen. Und ich merke, dass ich oft so übersättigt bin mit Gedanken und Informationen. Viel lieber möchte ich in die Tiefe gehen und über die Themen ins Gespräch kommen. Und hier ist es, mein Buch, das ich im Januar gelesen habe:
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Schon sehr lange beschäftigt mich die Stelle in Matthäus 25,35 ff., in der Jesus davon spricht, dass wir Menschen in ihrer Not begegnen sollen. Und schon lange frage ich mich, was das konkret für mich in meinem Alltag bedeuten kann. Und weil ich den Eindruck habe, dass Einsamkeit etwas ist, das immer mehr zunimmt und eine immer größere Not wird, wollte ich mehr darüber erfahren.
Vielleicht hatte ich auch ein wenig die Hoffnung, zu lernen, was genau man dagegen tun kann. Ich glaube, die meisten von uns sind oder waren schon mal einsam. Aber so richtig darüber sprechen ist meistens schwer. Ich erinnere mich an einsame Jahre, als mein Mann und ich neu in einer fremden Stadt waren und trotz vieler Bemühungen einfach keinen Anschluss gefunden haben. Freunde, die weit weg waren, und das Gefühl, alleine zu sein. Die letzten Jahre, in denen ich immer wieder an die Hochschule zu Kursen gefahren bin und im Gegensatz zu allen anderen niemanden kannte. Die vieeeeelen Kleinkindstunden, in denen ich mich auf den Spielplätzen sehr einsam gefühlt habe.
Mein Fazit: Ich habe viel über das Problem (Einsamkeit) gelernt, aber was mir gefehlt hat waren noch mehr Ideen und Lösungen. Und vielleicht ein paar Hoffnungsgedanken 🙂
Was mir an diesem Buch gut gefallen hat:
Es ist voller guter Studien, und man lernt auch ein wenig darüber, dass man nicht allen Studien glauben darf. Besonders das Kapitel „Online einsam“ hat mir die Augen dafür geöffnet, wie wichtig die kleinen Smalltalk-Begegnungen und kurzen Schwätzchen an der Kasse und auf der Straße sind. Eigentlich bin ich kein großer Smalltalk-Fan (und auch nicht sonderlich gut darin), aber nach diesem Kapitel überdenke ich das noch einmal.
Es hat deutlich gemacht, dass Einsamkeit eine ernst zu nehmende Not ist, die sogar körperlich spürbar ist. Oft habe ich Einsamkeit als „Luxusproblem“ angesehen. Jetzt weiß ich: es ist elementar.
Was mir gefehlt hat:
Mir hat die Erklärung gefehlt, was eigentlich Einsamkeit ist. Der Autor unterscheidet zwischen gefühlter Einsamkeit (die man auch empfinden kann, wenn man von vielen Menschen und sogar Freunden umgeben ist) und sozialer Isolation (wie viele Kontakte man hat). Doch wo beginnt Einsamkeit? Wie viel Einsamkeit gehört einfach zum Leben dazu, wann sollte man aktiv etwas dagegen tun? Woran merkt man eigentlich, dass man einsam ist (ich konnte das manchmal erst im Nachhinein benennen) ?
Und ich hätte mir konkrete Lösungsideen gewünscht. Der Autor hat viele hilfreiche Studien zitiert und auch konkrete Dinge gezeigt, die nachweislich gegen Einsamkeit helfen (s. unten). Aber als betroffene Person, mit der Hoffnung, aus meiner Einsamkeit hinauszufinden, hätte ich es nicht als besonders hilfreich empfunden. Und wäre ein wenig deprimiert mit meinem „und was mach ich jetzt konkret?“ dagesessen.
Worüber ich nachdenke:
Warum ist es so schwierig, über Einsamkeit zu sprechen und zu sagen: Ich fühle mich einsam?
Was ist der Grund für Einsamkeit und kann man dagegen etwas tun?
Wie können wir als Gemeinden und ich als Einzelperson dieser Not begegnen?
Hab ich Angst davor, besonders im Alter einsam zu sein?
Ich denke die letzten Monate viel über das Thema Gastfreundschaft nach. Wie hängen diese Themen zusammen?
Ich entdecke immer mehr die Bedeutung von Gemeinschaft in der Bibel. Hier würde ich gerne noch mehr erfahren.
Und hier noch ein paar Sätze, die ich mir unterstrichen habe.
Aus Sicht jeder funktionierenden Gemeinschaft ist daher alles, was das Miteinander und die Kooperation von Menschen fördert, von existenzieller Bedeutung.
Stressauslösend sind nicht die unangenehmen Erfahrungen, vielmehr ist es das Gefühl, ihnen machtlos ausgeliefert zu sein.
Viele tägliche kleine reale Begegnungen mit meistens wildfremden Menschen sind der Kitt, der nicht nur unser eigenes Leben, sondern auch unsere Gesellschaft zusammenhält.
Hinsichtlich der Einsamkeit verhält es sich ebenso wie bei Schmerzen, die zunächst sinnvoll sind und auf einen Fehler im System hinweisen, auf den man reagieren sollte.
Was hilft?
Geben und Handeln als Akte der Kooperation und Musik, Gesang, Tanz als Akte der Koordination, die erwiesenermaßen die Kooperation fördern.
Wie und wo sollten Sie die Einsamkeit suchen? Aktiv und draußen!
Falls du Gedanken zu dem Thema hast, schreib mir gerne. Vielleicht hast du auch ein Buch / Podcast etc den du gut fandest, dann schick ihn mir gerne!
Für mich persönlich habe ich Einsamkeit als „negatives Alleinsein“ definiert. Alleinsein sehe ich neutral, man empfindet es z. B. positiv, wenn man viele Kontakte hat, aber zwischendurch einfach mal seine Ruhe haben möchte….
Danke liebe Anne, für diese interessante Buchvorstellung. Besonders dieser Satz von Herr Spitzer hat mir gefallen:
„Viele tägliche kleine reale Begegnungen mit meistens wildfremden Menschen sind der Kitt, der nicht nur unser eigenes Leben, sondern auch unsere Gesellschaft zusammenhält. “ Wie schön!
Ich hab neulich das Buch „allein“ von Daniel Schreiber gelesen. Finde es sehr empfehlenswert. Ich mag einfach wie er schreibt, auch zu diesem Thema. Er hat (als Single) in der Coronazeit auch viel über Freundschaft nachgedacht. („ist Freundschaft einer jener Strohhalme, an die wir uns klammern, während unsere Welt zusammenbricht?). Und das habe ich mir dazu noch angestrichen:
„NAchhaltiges freundschaftliches Glück ist ein Nebenprodukt des Gebens, des Aufmersamkeits-Schenkens.“ Und: „Freundschaften sind so perfekt und unperfekt in unser Leben eingewoben, wie es nur reale Dinge sein können.“
Das fand ich schön. Weil es Mut macht die unperfekten, realen Beziehungen wertzuschätzen, auch wenn sie die Einsamkeit nicht immer vertreiben.
Ich bin (unfreiwillig) Single und selten einsam. Wenn man sich intensiv um Menschen kümmert, hat man gar keine Zeit einsam zu sein. Was mich richtig wütend macht ist, wenn schon Kinder und Jugendliche einsam sind. Das finde ich tragisch und mir tut das von Herzen leid! Es gibt soviele Menschen, die kaum wirkliche (nicht Social Media) Kontakte haben. Das ist eine Anfrage an uns, unsere Herzen und Häuser zu öffnen!
Gott möge uns den Blick schenken für jemanden Freund/Freundin zu sein – auch außerhalb unserer (christlichen) Gemeinschaften.
Schnell merkt man, wenn man dies praktiziert, dass man nicht nur der Gebende ist, sondern auch der Beschenkte!!:-)