Unerbittlich jagt ein Regenschauer den anderen. Wir sitzen beim Abendessen, als zwischen den Regengüssen die Sonne durchblitzt. „Eigentlich müsste es jetzt einen Regenbogen geben“, meint der Große. Also springen wir auf und machen uns auf Regenbogensuche.
Nachdem wir alle Fenster abgeklappert haben, finden wir ihn endlich. So bleich und durchsichtig, dass man ihn kaum sehen kann. Nur wer zwei- oder dreimal hinschaut, entdeckt ihn.
Vor einem Jahr, als der ganze Corona-Wahnsinn anfing, da haben wir einen Regenbogen ausgeschnitten. Groß und in leuchtenden Farben. Kaum zu übersehen. Um die Kinder bei Regen aus dem Haus zu bekommen, sind wir in unserer Nachbarschaft Regenbögen suchen gegangen und haben einige an den Fenstern entdeckt. Mit Aufschriften wie „Alles wird gut!“, oder „Wir halten zusammen!“
Unser Regenbogen hängt schon lange nicht mehr. Die Farben waren ausgeblichen – genau wie der Glaube daran, dass wir das ganz schnell und unbeschadet hinter uns bringen. Jetzt sitzen wir zwischen dunklen Wolken und Regenschauern, die einfach kein Ende nehmen wollen und sind müde von all dem Regen. Unser Alltag hat unseren kleinen bunten Regenbogen ganz schön zerfleddert. Also haben wir ihn abgehängt.
Und während ich die Hoffnung schon im Altpapier entsorgen will, ruft ein Sechsjähriger beim Abendessen: „Eigentlich müsste es einen Regenbogen geben!“
Ja das müsste es! Und tatsächlich, wer genau hinschaut kann ihn auch heute, zwischen all dem Regen und den dunklen Wolken sehen. Seit Tagen trage ich dieses Bild in mir herum: der unscheinbare, versteckte Regenbogen am Himmel. Also ob uns jemand daran erinnern will, dass Hoffnung nicht tot zu kriegen ist. Auch wenn man zwei- oder dreimal hinschauen muss, um sie zu finden.